Offener Brief von Prof. Dr. Klaus-Jürgen Bruder zur Polemik gegen Ulrike Guérot in der FAZ

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Offener Brief

an Markus Linden, Universität Trier,
an die Feuilleton-Redaktion der FAZ,
an den Rektor der Universität Bonn, Prof. Dr. Michael Hoch,

zur Polemik gegen Ulrike Guérot in der FAZ am 4. Juni 2022 von Markus Linden Hintergrund

Die FAZ macht sich die Finger nicht schmutzig, sie findet den Schmutz stets beim anderen, den sie bald zum Gegner macht – und deren hat sie viel. Das ist ihre lang eingeübte Praxis, dafür wird sie von ihren klugen Köpfen, die sich hinter ihr verstecken, geliebt.

Die kritischen Stimmen, die seit Beginn der großen Inszenierung der Pandemie sich gemeldet haben, die, wie Ulrike Guérot, es bis in die Medien des Estab­lish­ments gebracht haben, sind der FAZ ein besonderer Dorn im Auge. Und nun auch mit dem Krieg in der Ukraine gibt es Stimmen, die das ganze anders sehen als die Regierung und mit ihr die FAZ. Es scheint für sie höchste Zeit, jetzt wo sich immer mehr Kritiker der Regierungen melden, wo immer mehr Schaden der Politik offensichtlich wird, wo immer mehr Regierungen aus dem Kampf­bund der Willigen ausscheren, und Durch­halte­parolen nötig werden. In Bezug auf den Ukraine-Krieg beklagt Frau Baerbock bereits „Kriegs­müdigkeit“ („Wir haben einen Moment der Fatigue erreicht“), aber trotzdem müssten wir die Sanktionen aufrechterhalten. Jetzt also muss jedes Mittel recht sein, die „Ikonen“ der Bewegung, wie die FAZ schreibt, zu zerschlagen und vom Sockel zu stoßen.

In einem Beitrag im Feuilleton der FAZ vom 4. Juni zieht Markus Linden, Politik­wissen­schaftler an der Universität Trier, alle Register der Diffamierung, Unter­stellung, Abquali­fizierung der Stellung­nahmen und Veröffentlichungen von Ulrike Guérot, Inhaberin eines Lehrstuhls für Europa­politik an der Universität Bonn. Den Stein ins Rollen gebracht hat bereits das Bonner Studenten­parla­ment unter Führung von Jusos, die Frau Guérot vor kurzem an den Pranger gestellt haben und ihr ihre Äußerungen verbieten wollten. Dem folgte die Sendung bei Markus Lanz, in der er sie in respektloser Weise zerpflückte, ihr keine Chance gab, seinen Behauptungen, Unter­stellungen zu entgegnen.

Bereits zu Beginn vergreift der FAZ-Autor sich mit der Abqualifizierung der Person, wenn er sie als Lehr­stuhl­inhaberin vorstellt, die „obwohl sie seit vielen Jahren vorrangig als Publizistin in Erscheinung tritt, nicht als Wissen­schaftlerin.“ Würde er das von Professor Drosten, Professor Wieler, und wie die in täglicher Medien­präsenz nichts anderes als die Politik der Regierung Verteidigenden alle heißen, auch sagen? Und seit wann ist das öffentliche Auftreten von Wissen­schaftlern ein Tabu? Ist es nicht im Gegenteil so, dass die Position des Professors mit der Verpflichtung verbunden ist, in die öffentliche Debatte einzugreifen, ein Jürgen Habermas wäre ohne diesen Job nicht zum moralischen Gewissen der Nation avanciert, und auch er ist nur ein matter Abglanz des Sartre­schen oder Marcusianischen „Intellektuellen“.

An diesen Intellektuellen mangelt es gerade heute, heute wo es darauf ankommen würde, Position zu beziehen, Demokratie, Freiheit, Menschen­rechte, auch und vor allem das Recht auf Freiheit der Meinung, auf selbst­bestimmtes und menschen­würdiges Leben, die alle im Mund und vor allen Dingen in den Handlungen der Politiker zu leeren Phrasen herab­gewürdigt worden sind, zu verteidigen. Gerade deshalb, weil es an solchen fehlt, ist es umso leichter, sich an den wenigen zu vergreifen, ein Exempel zu statuieren, sie zum Staats­feind zu erklären. Das ist die Perspektive, das Ziel.

Bei Guérot versucht es der FAZ-Autor unter der Gürtellinie: Er bezichtigt sie der Halb­­wahr­heiten und Falsch­heiten, wirft den Plagiats­vorwurf in den Raum, der stets eine Aufforderung zur Hetzjagd bis zur Vertreibung bedeutet.

Belege und inhaltliche Aus­ein­ander­setzungen? Fehlanzeige. Im Unterschied zum politischen, „publizistischen in Erscheinung treten“ ist dieser Vorwurf aber nur durch winkel­advoka­tische Züge, Verdrehungen, Insinuierungen einzubringen, wie z.B. „hier paraphrasiert Guérot… Für sich genommen, ist das kein Diebstahl, aber erfahrene Dozenten wissen, dass darauf in studentischen Hausarbeiten bisweilen noch andere Stellen folgen – bis hin zum Plagiat“. Die Ungeheuer­lichkeit dieser Unter­stellung ist nicht zu überbieten.

So ist der Beitrag in der FAZ eine Dokumentation des Ungeistes, der die öffentliche Diskussion ergriffen hat, von dem sich aber zumindest Angehörige einer Universität fernzuhalten haben.

Gerade Universitäten müssen an ihren gesellschaftlichen Auftrag gemahnt werden.

Wir fordern die Universität Bonn auf, sich entschieden vor ihre Kollegin Frau Guérot zu stellen.

Berlin, den 5. Juni 2022
Prof. Dr. Klaus-Jürgen Bruder

Hier kann man den offenen Brief unterzeichnen