Berlin 01.08.2020

Großdemo gegen die Einschränkung von Demokratie und Grundgrechten

Dieser Demonstartionsbericht ist subjektiv. Ich schildere den Tag so, wie ich ihn erlebt habe.

Wer am 1.8.2020 in Berlin auf der Demo gegen die Corona-Maßnahmen war, musste zwar nichts befürchten, brauchte aber zeitweise starke Nerven. Schon auf dem Weg dorthin fuhr ich mit meinem Rad an einigen Fahnen schwenkenden Menschen vorbei, wobei ich nicht sagen konnte, was für Fahnen es waren – sie sahen nach Landesfahnen aus. Es stellte sich für mich zwar schnell heraus, dass die Fahnenschwenker und rechte Parolen Verbreiter nur eine kleine Menge ausmachten, ca. 200 von geschätzt 500.000 -700.000 Teilnehmern, aber dennoch blieb ein mulmiges Gefühl, denn mit Reichsbürgern Schulter an Schulter gegen die Abschaffung der Demokratie zu demonstrieren, war nicht meine Intention.

So sehen laut GMX 20.000 Menschen aus (sieht irgendwer Reichsflaggen?)*

Als ich den 17. Juni erreichte, war dieser randvoll mit Menschen – Demonstranten, soweit das Auge reichte. Die Flaggenschwenker blieben in Nähe des Brandenburger Tores stehen, erst später sah ich im Livestream von Querdenken 711, dass sich zwei auch vor der Bühne positioniert hatten, in unmittelbarer Nähe zu den Regenbogenfahnen einer Schwulenbewegung und einigen bunten Hippiefahnen, die keine besondere Aussagen hatten. Die Optik der TeilnehmerInnen erinnerte definitiv nicht an die Montagdemos oder Pegida, sondern an die Loveparades oder CSDs, die dort auch stattgefunden hatten. Viel Farbe, viel Phantasie, viel gute Laune.

Die Hetzzeitung „Die Welt“ aus dem rechtskonservativem Hause Springer, fotografierte nur die beiden Reichsflaggen, was man klar als Propaganda bezeichnen darf!

Ich sollte an diesem Tag noch lernen, dass es nicht um links oder rechts, schwul oder hetero ging, sondern darum, gemeinsam gegen die Abschaffung von Demokratie und Grundrechten zu demonstrieren.

Gerade die Meinungsfreiheit wird ja seit Corona mit den Füßen getreten, allen voran von den Konsens-Medien.

Das nächste Mal leicht sauer stieß es mir auf, als ich amerikanische Q-Anon-Fahnen sah, die Flaggen amerikanischer Verschwörungsanhänger. Es waren zwar nur vier, aber sie störten mich. Insgesamt zählte ich, außer den Q-Anon-Flaggen, fünf Reichsflaggen, 12 rote Fahnen, 21 Landesflaggen (von was für Bundesländern auch immer), sowie viele Regenbogen- und Hippiefähnchen. Ich möchte betonen, dass diese Zahlen nicht verbindlich sind, da ich vom Fahrrad aus nicht immer die beste Sicht hatte.

Allerdings bin ich fast die gesamte Strecke abgefahren, daher weiß ich auch, dass man die Zahl der Teilnehmer durchaus mit denen der gut besuchten Loveparades oder CSDs vergleichen kann.

Ich zog mich in den Schatten des Tiergartens zurück, wo auch noch unzählige Menschen auf den Wiesen saßen und wartete auf den Beginn der Veranstaltung. Wer wird sprechen und was wird er oder sie zu sagen haben? Als endlich der Soundcheck mit einer viel zu lauten Gitarre beendet war, trat der Veranstalter Michael Ballweg ans Mikro, begrüßte alle und stellte gleich klar, dass Extremisten, egal ob links oder rechts, auf der Demo nichts zu suchen hätten und die Ordner Anweisungen hätten, diese bei Provokationen des Platzes zu verweisen.

Juchu, dachte ich, dann werden die Reichsflaggenträger ja bald weggebten!

Wurden sie nicht.

Dann forderte Ballweg alle Teilnehmer auf, die politisch rechts sind, die Hand zu heben. Es hoben einige wie selbstverständlich die Hand. Aha, dachte ich, kenne ich so nicht von Demos, aber hier ist das eben so. Das Gleiche folgte mit Links. Diesmal hoben ein paar mehr die Hand. Und als er den Rest aufforderte, die Hand zu heben, war ein Meer aus Händen zu sehen. Ich blickte durch das Konzept noch nicht durch. Da stehen Rechts und Links nebeneinander und hauen sich nicht auf die Fresse? Da bricht die Polizei die Veranstaltung ab, noch bevor sie angefangen hat und die Leute gehen nicht nach Hause, sondern bündeln sich friedlich in Gruppen und singen und tanzen einfach bis in den Abend hinein?

Eigentlich ein zukunftsträchtiges Konzept, denn das Spalten, Hetzen und sich gegenseitig auf die Fresse hauen, muss angesichts des Ernstes der Lage aufhören. Am Ende sind wir alles Menschen, die ihre Freiheit und Selbstbestimmung behalten wollen und sich Sorgen um die Demokratie machen.

Beim nächsten Redner fielen Worte wie Liebe und „alle sind gleich“. Also, ich muss sagen, wenn jemand wie Thorsten Schulte, der offen gegen Migranten hetzt, was von Liebe faselt, schwillt mir die Galle an. Ich finde es schon sehr bedenklich, dass er auf den Querdenken-Demos regelmäßig sprechen darf, aber so ist das leider.

Als ich in den frühen 80ern in Frankfurt am Ostermarsch teilnahm, marschierten auch Nazis mit und als sich die Grünen gründeten, wussten einige Landesverbände gar nicht wohin mit den ganzen Braunröcken und Heimattreuen. Die SPD musste den rechten Hetzer Sarrazin entsorgen und die CDU ist noch heute durchsetzt von rechtsdrehenden Law-And-Order Typen wie Schäuble und Altmaier. Die CSU ist eine weichgespülte NPD und darf sogar im Bundestag reden!

Noch bevor die Veranstaltung losgehen sollte, war sie bereits beendet. Die Polizei betrat die Bühne und erklärte, dass Schluss sei und alle nach Hause gehen sollen. Tat keiner, alle blieben. Der Kontakt der Veranstalter schien friedlich und respektvoll zur Polizei und so sagte ihnen der Einsatzleiter, dass weit mehr gekommen seien, als angemeldet und dass sie nicht genug Beamten hätten, den 17. Juni zu räumen. Angemeldet waren 500.000! Die Polizei sprach gegenüber den Veranstaltern von 1.3 Millionen, was ich nicht glaube. Ich denke, es war bewusst übertrieben worden, um ein Argument für das Beenden der Veranstaltung zu haben.

Zwar war der 17. Juni voll und auch im Tiergarten waren sehr viele Menschen, aber es war längst nicht so voll, wie bei der Loveparade 1998 mit über 1 Million Menschen. Die Menschenmenge entsprach eher der des Christopher Street Days 2015 und da wurde die Teilnehmerzahl auf 750.000 geschätzt.

CSD 2015: 750.000
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Demo 1.8.20: Laut GMX 17.000*

Da im Gegensatz zum CSD keine platzraubenden Trucks dabei waren, dürften 500.000 – 700.000 Menschen auf der Demo gewesen sein, denn was in den Nebenstrassen los war, hab ich nur ansatzweise prüfen können. Und selbst, wenn es „nur“ 100.000 gewesen sein sollten, weil die Schätzkriterien beim CSD 2015 andere waren:

Die Demo war so oder so ein großer Erfolg für die Wahrheitsbewegung und möglicherweise der erste Spatenstich zur Beerdigung des neoliberalen Systems in Deutschland.

Die Konsens-Medien berichten von 15-20.000, was natürlich total lächerlich ist. Gehorsame Auftragsschreiber, die das schreiben, was man ihnen sagt, oder von ihnen erwartet. Ich musste dann los, zur Arbeit und auf dem Weg dorthin sah ich, wie viele Menschen es inzwischen geworden sind und wieviel gar nicht erst auf den 17. Juni kamen, weil die Polizei mittlerweile alles abgesperrt hatte. In den Seitenstraßen um den 17. Juni herum dürften noch einmal 20-20.000 Leute unterwegs gewesen sein.

An dieser Stelle ein freundliches Wort an die Berliner Polizei. Sie haben sich weitestgehend fair und respektvoll verhalten. Als sie die Bühne räumen mussten, gingen bis auf 2 Teilnehmer alle von der Bühne, sodass es zu keinen weiteren Aktionen der Polizei kommen musste. Diese Teilnehmer haben sie dann an den Bühnenrand getragen – manche Leute scheinen das zu brauchen. Die überwiegend jungen Polizistinnen und Polizisten taten mir leid. Bei über 30 Grad stundenlang mit Mund-Nasenschutz in der prallen Sonne stehen, in dicker Montur, das ist unmenschlich. Es gab einen kritischen Vorfall mit dem Einsatzleiter. Ein Lieferwagen mit hunderten Lietern Wasser wurde an der Einfahrt zum 17. Juni gehindert, was man als unterlassene Hilfeleistung in hunderten von Fällen bezeichnen muss.

Der Polizei-Einsatzleiter wörtlich zu einem der Veranstalter: „Uns ist lieber die fallen um und wir transportieren sie dann mit Rettungswagen ab, als das wir Wasser bringen und die Veranstaltung noch länger geht.“

Ein eindeutiger Rechtsbruch der Polizei, der noch Folgen haben wird.

Ich schaute dann den Livestream von Samuel Eckert, der einzige, der noch funktionierte, alle anderen waren offline. Eckert hatte ein Handy mit Schweizer SIM-Karte, das ließ sich wohl nicht abschalten. Sechs Stunden Livestream! Als ich mir die Kommentare des Livechats ansah, wurde mir klar, dass bei Querdenken 711 von Links über Mitte bis Rechts wirklich alles zuschaut, was mit den Corona-Verordnungen und den brutalen Folgen für Menschen und Wirtschaft nicht einverstanden ist. Im gemeinsamen Ziel, die Verordnungen zu kippen und die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen, ist man offenbar vereint. Ist mal was anderes, als Spalten, Hetzen und sich auf die Fresse hauen, denn:

Solange wir, die Bürger des Landes, damit beschäftigt sind, uns gegenseitig zu überwachen, zu diffamieren und auf die Fresse zu hauen, haben die Mächtigen ein leichtes Spiel. So wurde es in der ehemaligen DDR praktiziert und so versucht es jetzt Merkel mit ihrer DDR 2.0.

Für mich ist die politische Orientierung von Querdenken 711 noch nicht durchschaubar. Ich weiß nur, dass ich nicht neben Menschen demonstrieren möchte, die die Reichsflagge oder irgendeinen anderen Dreck schwenken. Ich kann keinem Thorsten Schulte zuhören, der in diesem Interview (Minute 3:50) Bürger mit Migrationshintergrund zynisch als „nicht biodeutsch“ bezeichnet und ihnen eine besondere Gewaltbereitschaft unterstellt. Gott sei Dank gibt es noch Leute wie Samuel Eckert, Markus Heinz oder Sebastian Götz („Die komplette Zerstörung des Corona Hypes“) bei Querdenken 711, sonst wär mir der Laden zu „gespenstisch“.

Dass sich eine neue, junge Bewegung erstmal finden muss, ist klar, somit hat sie jetzt (noch) Karrenzzeit. Und ich wünsche dieser wachen Bewegung, dass sie viel bewegt, ohne nach rechts abzudriften. Das wäre ihr Ende, das würden sehr viele Befürworter nicht mitmachen. Eine politische Größe ist sie jetzt schon, sonst hätte die Regierung auf die Demonstration nicht mit dem grundlosen Beenden der Veranstaltung, zwei willkürlichen Verhaftungen und Fake-News über die Teilnehmerzahl reagiert.

Wir brauchen Menschen, die den starren Pfad des gleichgeschalteten Denkens verlassen, auch wenn sie sich dabei manchmal verirren, Wegesucher verirren sich nun mal. Aber ist der optimale Weg erstmal gefunden, werden Tausende ihn beschreiten. Und es wird der Weg sein, der auf kürzester Strecke zum Ziel führt.


*Die Fotos sind Screenshots aus Samuel Eckerts Livestream

Update:

Die nächste Demo gegen die Corona-Maßnahmen findet in Berlin am 29. August statt. Es ist sehr wichtig, dass wir geschlossen gegen den beginnenden Faschismus in Deutschland demonstrieren. Mit Notstandgesetzen, Diffamierungen Andersdenkender und Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit fing es hier schon mal an.

Wir dürfen nicht zulassen, dass Merkel mit ihrer DDR 2.0 ein neues 1933 schafft!!